Kulturschätze im Aufzugsraum: Archivar des Heine-Instituts verliert seinen Job

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Das Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut stand im vergangenen Jahr im Mittelpunkt eines in der überregionalen Presse viel beachteten Arbeitsrechtsstreits. Der langjährige Archivar Christian Liedtke, ein Geisteswissenschaftler ohne klassische Archivausbildung, wurde am 1. Dezember 2023 fristlos entlassen, nachdem während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit gravierende Mängel bei der Lagerung wertvoller Originaldokumente entdeckt worden waren. Der folgende Beitrag fasst den Fall zusammen und wirft Fragen auf.

1. Wenn Handschriften nicht dort sind, wo sie sein sollten

Das Heinrich-Heine-Institut beherbergt neben den Sammlungen zu Heinrich Heine und Robert Schumann umfangreiche Nachlässe zur Düsseldorfer und rheinischen Literaturgeschichte. Liedtke war zuständig für die Handschriftenabteilung I für die Zeit des 17. bis 19. Jahrhunderts.

Am 6. November 2023 waren die Institutsleitung und der Archivar der Handschriftenabteilung II auf der Suche nach zwei Exponaten – einer Handschrift mit dem Druck des „Rheinweinliedes“ und einer Elfenbeinminiatur mit dem Bildnis Robert Schumanns.

In einem Aufzugsvorraum fanden sie in zwei ungesicherten Stahlschränken insgesamt 1.867 Originaldokumente vor, darunter Werke von Heine, Mendelssohn Bartholdy und Schumann. Der Raum war weder klimatisiert noch alarmgesichert. Besonders beunruhigend: Restaurierte Originale waren mit von Schimmel befallenen Objekten vermischt worden, was zu einer Kreuzkontamination führte. Die Stadt warf dem Archivar daraufhin eine erhebliche Beschädigung des Archivguts vor und leitete rechtliche Schritte ein.

Historische Handschriften benötigen besondere klimatische Bedingungen, um Schäden durch Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und Schimmelbildung zu vermeiden. Die Tatsache, dass hier jahrzehntelang ein „Provisorium“ bestand und das Archiv offensichtlich chaotisch geführt wurde, lässt Zweifel an der internen Organisation und Kontrolle aufkommen. Besonders brisant ist die Frage, inwieweit die Institutsleitung von diesen Zuständen wusste. Die Direktorin des Heinrich-Heine-Instituts ist eine ausgebildete Archivarin und hätte über die notwendigen Standards für die Lagerung von Kulturgut bestens informiert sein müssen.

2. Kündigungsschutzklage am Arbeitsgericht Düsseldorf

Ursprünglich war in den Medien von einem Millionenschaden die Rede, der sich jedoch nicht bewahrheitete. Dennoch erhielt Liedtke mit seiner Entlassung ein Hausverbot. Sein Name wurde in der Presse nicht genannt, ist aber in Fachkreisen bekannt. Liedtke ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zu Heinrich Heine.

Liedtke argumentierte, dass die Stahlschränke im Erdgeschoss schon immer als „Zwischenarchiv“ genutzt worden seien, dies allgemein akzeptiert und bekannt gewesen sei und die Schäden nicht nachweislich auf die Lagerung zurückzuführen seien.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf gab seiner Kündigungsschutzklage am 10. Mai 2024 statt und entschied, dass eine Abmahnung angemessener gewesen wäre. Da der Kläger bereits seit dem 1. Oktober 2008 am Institut beschäftigt und eine ordentliche tarifliche Kündigung ausgeschlossen war, hielt das Gericht die fristlose Kündigung für unverhältnismäßig.

Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2024 – 1 Ca 5913/23 

3. Berufung vor dem Landesarbeitsgericht

Das Heinrich-Heine-Institut akzeptierte dieses Urteil jedoch nicht und zog am 17. Dezember 2024 vor das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Die Richter sahen die Sache nun anders: Die vorsätzlich unsachgemäße Lagerung rechtfertige die Kündigung. In einem Vergleich wurde die fristlose in eine ordentliche Kündigung umgewandelt. Im Gegenzug verzichtete die Stadt auf Schadenersatzforderungen in Höhe von mehr als 337.000 Euro. Der Vergleich zwischen den Parteien ist widerruflich.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 8 SLa 423/24

4. Fazit: Ein Fall mit Signalwirkung

Der Fall des Heinrich-Heine-Instituts ist mehr als eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung. Er zeigt, wie wichtig es ist, klare Richtlinien für den Umgang mit Kulturgut durchzusetzen und regelmäßige Kontrollen zu gewährleisten. Darüber hinaus sollten Mitarbeiter, die nicht über eine archivfachliche Ausbildung verfügen, in ausreichendem Maße im Umgang mit wertvollem Archivgut geschult werden.

Da ich selbst bei der Recherche für meine Bücher das Archiv und die Bibliothek des Heinrich-Heine-Instituts genutzt habe, war ich auch oft erstaunt, dass bestimmte Bücher oder Mappen nicht auffindbar waren oder die Pressesammlung bis in die 1980er Jahre hinein sehr laienhaft geführt wurde. Der Einsatz von nicht ausgebildetem Personal scheint daher in der Vergangenheit häufiger vorgekommen zu sein.

Simone Pohlandt, Autorin

Simone Pohlandt

Autorin und Gästeführerin auf Heines Spuren

Als leidenschaftliche Heine-Leserin schreibe ich über meinen Lieblingsdichter Heinrich Heine und tauche tief in sein faszinierendes Leben und Werk ein. Auf meinen Heinrich-Heine-Touren führe ich Sie auf den Spuren dieses außergewöhnlichen Dichters durch die Düsseldorfer Altstadt. Begleiten Sie mich auf eine literarische Reise durch Düsseldorf und entdecken Sie gemeinsam mit mir inspirierende Orte und Geschichten, die mit Heinrich Heine verbunden sind.

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